ZL;NG: Potential vom Fediverse bezüglich Filterbubbles und Echokammern.


Ich habe letztens jemandem erklärt, wie das Fediverse (insbesondere Lemmy als Beispiel) funktioniert.

Auch, wenn ich extra betont habe, wie cool (oder blöd, je nach dem…) ich es finde, dass ich alle möglichen Leute (z.B. Furries, Kommunisten, Sozialisten, alte Leute, junge Leute, Hundemenschen, Nazis, Katzenmenschen, Veganer, Linuxuser, etc.) dort antreffe, kam die Aussage, dass dieses ganze Prinzip von Föderieren und Deföderieren, aber auch das Ausblenden ganzer Communities und die “Macht” der Moderatoren, ja die Definition einer Filterblase zu sein scheint.


Heute hab ich mal in die Blockliste von Feddit.de reingeschaut.
Eigentlich alles, was ich dort gesehen habe, war Scheiße, die ich echt nicht (besonders auf täglicher Basis) sehen will, z.B. Faschistenmüll (lemmygrad), Pornografie, usw.
Da bin ich den Seitenadmins auf jeden Fall schon mal für die Vorauswahl dankbar und finde, dass es eine recht vernünftige Aussortierung ist, die einen Grundpfeiler einer halbwegs zivilisierten Diskussion und Kultur darstellt.

Wenn ich mir jetzt aber beispielsweise die Blockliste (und Mentalität) von Lemmygrad ansehe, sind die aber schon deutlich heftiger unterwegs, mit ganz klaren Regeln, wer mit wem wie reden darf und für welchen Mist man gebannt werden kann. Faschos, die halt Faschodinge machen, wen wundert’s…

Aber selbst da: wenn ich mir dort einen Account erstellen würde, wie sehr werde ich dann weiter radikalisiert und versumpfe weiter in meiner Bubble, wenn ich empfänglich dafür bin?

Und auch anders herum: hier auf Feddit und ähnlichen Seiten ist auch nicht das ganze Spektrum der Bevölkerung (oder Instanzen) abgebildet, und ich bin mir auch bewusst, dass wir hier ebenfalls eine kleine Bubble aus (übertrieben gesagt) links-grünen ITlern haben, während das rechte Stammtischgelabere unserer Eltern eher auf Facebook stattfindet.

Selbe Frage: Wie sehr würde ich, wenn theoretisch alle möglichen Bevölkerungsschichten hier vorzufinden wären, in einer Bubble landen?

  • Gar nicht, weil es keinen Algorithmus gibt?
  • Oder würden wir uns alle trotzdem radikalisieren/ isolieren, weil jede rechte Aussage auf einer linken Instanz beispielsweise gedownvotet wird und die dementsprechenden Leute auf eine andere Instanz abwandern?
  • Wie sehr begrüßt ihr es, dass gewisse “Idioten” (ich weiß nicht, wie ich die sonst bezeichnen soll), mit denen man ohnehin nicht mehr vernünftig reden kann, aus dem Gespräch ausgeschlossen werden?
  • Wie unterscheidet es sich von anderen Plattformen, wie YouTube, Instagram, und co.?
    Wenn ich auf YT z.B. ein Schwurbelvideo anklicke, wird einem direkt die ganze Startseite damit vollgemüllt. Trifft man hier auf mehr und diversere Meinungen, selbst, wenn man es aktiv nicht möchte?
  • Ephera@lemmy.ml
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    8 months ago

    Ich würde mich aber auch über eine Plattform freuen, die “Menschen verbinden” in einer Art ins Software-Design eingewebt hat, so dass speziell nettes Verhalten und gute Kommunikation begünstigt wird.

    Da finde ich tatsächlich das Mastodon-Design gar nicht verkehrt. Also es ist eben alles mehr auf Personen statt auf Inhalte ausgerichtet. Das hat natürlich auch Nachteile, aber ein großer Vorteil ist, dass die Person hinter den Kommentaren viel greifbarer ist.

    Dass man eben irgendwie sieht: Ah okay, Papa von zwei Kindern, dann wird das vielleicht ein Missverständnis sein, was hier im ersten Moment wie eine derbe Aussage klingt. Also ist halt in der Regel so, dass wenn man eine Person hinter einer Meinung erkennt, dass man reflektierter antwortet.

    Insbesondere ist es dadurch auch für alle einschätzbar, ob die Person Fachexperte oder Laie ist. Hier auf Lemmy muss immer alles im Zweifel bis in’s Detail zerlegt werden, weil es sonst jemand als Fachmeinung auffassen könnte. (Also es sei denn, man merkt ausführlich an, dass man kein Experte ist, aber machen auch nicht immer alle.)

    Und was auf Mastodon auch cool ist, ist dass man den Leuten ein Sternchen geben kann, wenn man ihren Beitrag gut fand oder auch einfach ihre Antwort gelesen und akzeptiert hat.

    Und dass es kein Downvote in dem Sinne gibt. Wenn man anderer Meinung ist, muss man antworten und erklären warum. Dadurch entsteht eine Diskussion und meistens kommt man mindestens zu einem gemeinsamen Verständnis, warum man verschiedene Perspektiven hat.

    • rufus@discuss.tchncs.de
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      8 months ago

      Ja, Mastodon ist schon sehr anders als Lemmy. Ich bin irgendwie selber mit diesen Kurznachrichten-Diensten nie warm geworden.

      Ich weiß, dass es bisher auf Twitter genug Flame-Wars gab und wütende Horden an Menschen die gerne Hexenverbrennung betreiben (Leute "cancel"en etc). Also das Format selbst denke ich lässt alles zu. Mastodon habe ich auch deutlich freundlicher wahrgenommen. Wahrscheinlich kommt man auch eh nicht dorthin um Stunk zu machen, deswegen gibt vielleicht das Problem sowieso nicht in dieser Ausprägung. Aber das ist nur meine Spekulation.

      Neben den Filterblasen sehe ich 2 größere Probleme:

      a) Alternative Plattformen ziehen auch verstärkt verhaltens-auffällige Personen an. Ganz einfach weil sie auf den “Normalo”-Plattformen herausgeschmissen werden, sich zwangsweise irgendwann nach Alternativen umsehen werden nach dem Perma-Ban, und ein Teil dann bei uns landet. Das gilt für Schwurbler, Faschisten, … Das ist Teil des natürlichen Laufes der Dinge und IMHO bleibt uns nichts übrig als dies kleinzuhalten und gleichzeitig zu fördern, dass Leute aus den richtigen Gründen hierhin kommen.

      b) Menschliche Psychologie. Und da weiß ich nicht ob ich der Meinung mit den “Down-Votes” da zustimmen möchte. Es ist ohnehin so, dass widersprechen einfacher ist als einen fundierten, positiven Kommentar zu schreiben. Ich erwische mich auch häufig dabei beim durch-scrollen genau dort anzuhalten wo ich nicht Einverstanden bin und darunterschreibe, dass ich das für Falsch halte. Aber ich scrolle an 5 Beiträgen vorbei, wo ich etwas Positives hätte beitragen können. Das hat mich aber nicht emotional gemacht und außerdem wäre es aufwändiger gewesen dort etwas zu zu schreiben. Ich denke Konzepte wie Down-Votes nehmen da etwas den Druck raus, dann klicke ich kurz auf Daumen-nach-unten und konzentriere mich vielleicht auf etwas Konstruktives. Aber es gibt natürlich auch Probleme mit dem Konzept.

      Insgesamt empfinde ich diese Reaktions-Emojis als recht sinnvoll. Das führt dazu, dass nicht jeder den gleichen kurzen Kommentar darunterschreibt und alles vollmüllt, sondern Platz für längere Kommentare mit mehr Qualität freigehalten wird. Viele Plattformen haben sich ja schon in diese Richtung entwickelt und dort kann ich auch einen Große-Augen-Emoji, oder einen Kotz-Smiley hinterlassen. Oder eine Rakete wenn jemand auf Github abgeht wie eine Rakete (im positiven Sinne). Das hilft natürlich Lemmy wiederum nicht, die Beiträge nach Beliebtheit zu sortieren…

      • Ephera@lemmy.ml
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        8 months ago

        Bei Mastodon gibt’s da auch so eine ganz komische Dynamik. Bis vor ca. zwei Jahren, war es eine Plattform zum Quatschen. Dann hat ein Elon Musk Twitter sukzessive zerstört, wodurch immer wieder Wellen an Usern rübergeschwappt sind.

        Und viele dieser User wollten keine Gespräche führen, sondern *Dinge* verkünden. Entweder weil sie eine Organisation sind und quasi wirklich das als Newsletter nutzen. Oder weil sie Wannabe-Promis sind.

        Und das war aber nicht nur so, weil irgendwie die Twitter Kultur anders war, sondern umso mehr User auf Mastodon waren, umso mehr hat es sich gelohnt, dort *Dinge* zu verkünden.

        Und mit den Verkündigungen, den Organisationen und den Wannabe-Promis kommen dann eben auch Shitstorms über selbige…

        Sonst stimme ich dir zu. Bei den Downvotes gibt’s eben das Problem, dass wenn da “-2” steht, dann fangen Leute an schneller Downvote zu drücken, ohne wirklich über deinen Kommentar nachzudenken.
        Und wenn dann da “-23” steht, dann kommen plötzlich auch die dümmsten Trolle, die nichtmal versuchen deinen Kommentar zu verstehen, dir aber krampfhaft mitteilen müssen, dass du total doof bist.

        Gibt dann Plattformen, die die Downvote-Zahl unsichtbar machen, aber da fehlt es dann wieder an Feedback, dass man mit dem Downvote irgendetwas bewirkt, so dass dann dein Punkt quasi wieder ausgehebelt ist.
        Also ja, echt nicht so einfach…

        • rufus@discuss.tchncs.de
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          8 months ago

          Ja. Ich hab in der Zeit auch mit großer Verwunderung irgendwelche Podcasts gehört (/Artikel gelesen) wo irgendwelche Journalisten oder andere Persönlichkeiten beschrieben haben, wie sie alle Mastodon ausprobiert haben und die Stimmung dort ganz anders / “komisch” war und sie wieder zurück zu Twitter/X gekehrt sind…

          Scheinbar war die Erwartung einen Eins-zu-Eins Klon vorzufinden. Und keine Bereitschaft sich anzupassen,… vielmehr kein Verständnis, dass das was sich anders anfühlt sogar Besser sein könnte und sie ja aus einem Grund etwas austesten, das nicht genau Twitter ist.

          Zumindest von den Journalisten hätte ich da mehr Reflektiertheit erwartet. Aber ich finde es durchaus sehr beeindruckend und gut, dass die Mastodon-Gemeinschaft standhaft geblieben ist und sich nicht verbiegen lassen hat.

          Das mit den Up-/Down-Votes habe ich hier schon mehrfach diskutiert. Ich denke der große Wurf steht noch aus, aber meine Meinung ist, dass so eine Plattform von Grund auf ganz anders aussehen müsste. Ich sehe nicht wie man dieses Wertungssystem so anpassen könnte, dass es ausnahmslos gut funktioniert. Da müsste eher etwas detaillierteres und ausgefuchsteres her. Die Idee mit den Menschen statt Beiträgen finde ich gut. Ich würde gerne Personen hier markieren können, alleine für mich, damit ich mehr lese von Personen die ich mag, und Inhalte von Leuten über deren regelmäßigen Müll ich mich schoneinmal aufgeregt habe einfach ganz unten einsortiert werden… Ich finde Blocken da oft auch nicht direkt angemessen oder feingranular genug.

          Aber leider können wir das alles nicht in nächster Zeit von Lemmy erwarten. Die Entwickler haben schon oft genug klargemacht, dass sie zu viel zu tun haben um sich um soetwas zu kümmern. Und manche revolutionäre Konzepte wurden auch schon ausprogiert, teilweise in seltsamen Crypto-Projekten oder “free-speech” Plattformen, das hat aber meist nur Trolle, Rechtsradikale und/oder Verhaltensauffällige angezogen und meines Wissens gibt es bisher keinen besseren Vorschlag der sich in der Realität bewiesen hätte.